Stärke deine innere Kraft – Resilienz verstehen, fördern, leben
- Siglinde Czenkusch

- 1. Sept.
- 4 Min. Lesezeit

Resilienz ist in aller Munde – und das mit gutem Grund. In einer Welt, die sich ständig verändert und oft mehr Fragen als Antworten bereithält, brauchen wir innere Stärke, um psychisch gesund zu bleiben. Doch was genau ist Resilienz? Wie können wir sie bei uns selbst, in Teams und besonders bei Kindern gezielt fördern?
Was bedeutet Resilienz?
Der Begriff Resilienz stammt vom lateinischen resilire und bedeutet "zurückspringen" oder "abprallen". In der Psychologie beschreibt er unsere seelische Widerstandskraft: die Fähigkeit, Krisen, Belastungen oder Stress so zu bewältigen, dass wir gesund bleiben oder sogar daran wachsen.
Stell dir einen Schwamm vor: Du drückst ihn zusammen – und sobald du loslässt, nimmt er wieder seine ursprüngliche Form an. Genau das ist Resilienz.
Resilienz ist kein Zustand, sondern ein dynamischer Prozess.
Sie ist trainierbar – wie ein Muskel, der durch regelmäßige Übung stärker wird. Dabei spielen sowohl individuelle Schutzfaktoren als auch soziale und strukturelle Bedingungen eine zentrale Rolle.
Mythen über Resilienz – und warum sie nicht stimmen
Es gibt einige hartnäckige Vorstellungen über Resilienz, die uns eher blockieren als helfen. Hier sind drei typische Mythen:
1. Entweder man ist resilient oder nicht.
Falsch! Resilienz ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine entwickelbare Kompetenz. Jede*r kann Resilienz trainieren – mit Unterstützung, Reflexion und Zeit.
2. Einmal resilient, immer resilient.
Auch das stimmt nicht. Unsere Resilienz kann schwanken – je nach Lebenssituation, Gesundheit, sozialen Kontakten oder Ressourcen. Es ist normal, in einer Phase weniger stabil zu sein. Wichtig ist, dranzubleiben und sich Unterstützung zu holen.
3. Wenn ich resilient bin, brauche ich niemanden mehr.
Gerade resiliente Menschen wissen, wann sie Hilfe annehmen sollten. Resilienz bedeutet nicht, alles alleine schaffen zu müssen – sondern, die eigenen Grenzen zu erkennen und soziale Ressourcen zu nutzen.
Resilienz ist überall
Nicht nur Menschen können resilient sein. Der Begriff wird heute in vielen Kontexten verwendet:
Individuelle Resilienz: unsere eigene psychische Widerstandskraft
Organisationale Resilienz: die Anpassungsfähigkeit von Teams und Einrichtungen
Technologische Resilienz: z. B. die Störanfälligkeit von IT-Systemen
Städtische Resilienz: wie Städte auf Krisen wie Hitze, Fluten oder Pandemien reagieren
Klimaresilienz: wie Ökosysteme oder Gesellschaften auf Klimaveränderungen reagieren
Resilienz ist also ein Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts – in der Bildung, in der Pflege, in sozialen Berufen und in der globalen Gesellschaft.
Die Resilienzwaage: Schutz- vs. Risikofaktoren
Ein besonders anschauliches Modell ist die Resilienzwaage. Sie zeigt, wie Belastungen (z. B. Stress, Konflikte, Unsicherheit) durch Schutzfaktoren ausgeglichen werden können.
Das Ziel ist nicht, Belastungen zu vermeiden, sondern genug Ressourcen auf der Schutzfaktorenseite zu haben.
Individuelle Schutzfaktoren:
Selbstwertgefühl, Optimismus, Selbstwirksamkeit
Bindungs- und Beziehungsfähigkeit
Emotionale Regulation, Reflexionsfähigkeit
Team- oder Organisationsschutzfaktoren:
Kollegiale Unterstützung und Teamzusammenhalt
Klare Kommunikation und transparente Strukturen
Supervision, Weiterbildung, Wertschätzung
Risikofaktoren:
Überforderung, Zeitdruck, mangelnde Anerkennung
Konflikte, fehlende Ressourcen, hohe Fluktuation
Je besser die Schutzfaktoren, desto stabiler die Resilienz – selbst in schwierigen Zeiten.
Die sieben Säulen der Resilienz
Nach dem Resilienzfaktoren-Modell nach Franziska Wiebel lassen sich sieben psychologische "Superkräfte" benennen:
Optimismus: Vertrauen in eine positive Zukunft
Akzeptanz: Unveränderliches annehmen
Bindung: soziale Netzwerke aktiv nutzen
Lösungsorientierung: handlungsfähig bleiben
Selbstwahrnehmung: eigene Gefühle erkennen
Selbstreflexion: aus Erfahrungen lernen
Selbstwirksamkeit: sich als wirksam erleben
Diese Kompetenzen lassen sich bewusst stärken – in Trainings, im Alltag und in herausfordernden Situationen.
Resilienz bei Kindern fördern
Kinder bringen unterschiedlich ausgeprägte Resilienz mit. Sie hängt nicht nur von ihrer Persönlichkeit, sondern auch von ihrer Umgebung ab.
Gerade in der Kita ist es entscheidend, wie wir ihnen begegnen.
Merkmale resilienter Kinder:
Sie suchen sich aktiv Hilfe.
Sie vertrauen in ihre Fähigkeiten.
Sie können über ihren Kummer sprechen oder sogar lachen.
Sie nehmen Herausforderungen an und entwickeln eigene Lösungen.
Sie haben eine gesunde Selbstwahrnehmung.
Fördernde Strategien im Kita-Alltag:
Vorbild sein: Erzieher*innen leben Selbstfürsorge, ein konstruktives Fehlermanagement und empathisches Verhalten sichtbar vor.
Bindung und Beziehung: Durch Rituale, verlässliche Kommunikation und echtes Interesse entsteht ein stabiles Beziehungsangebot.
Verantwortung übertragen: Kinder erhalten kleine, machbare Aufgaben, die ihnen Vertrauen signalisieren und Selbstwirksamkeit fördern.
Stärken erkennen und benennen: Durch gezieltes Feedback lernen Kinder ihre Kompetenzen kennen und schätzen.
Eigenaktivität und Kreativität fördern: Freie Spielräume, unstrukturierte Zeiten und Mitbestimmung eröffnen Chancen zur Selbstentfaltung.
Emotionale Regulation unterstützen: Aktives Zuhören, benennende Sprache und einfühlsame Reaktionen helfen Kindern, ihre Gefühle einzuordnen und auszudrücken.
Resiliente Geschichten und Rollenspiele: Hauptfiguren, die mit Herausforderungen wachsen, stärken die Identifikation und regen zur Reflexion an.
Fehlerkultur leben: Fehler sind Lernchancen – wenn wir sie liebevoll und konstruktiv begleiten.
Resilienz bei Auszubildenden fördern
Auch Auszubildende brauchen Resilienz – besonders im oft stressigen und emotional fordernden Berufsalltag sozialer Berufe.
Förderliche Strategien für Praxisanleiter*innen:
Struktur und Sicherheit geben: Klarheit über Erwartungen, regelmäßige Feedbackgespräche und transparente Abläufe reduzieren Unsicherheit.
Verlässliche Beziehung aufbauen: Ein wertschätzender, zugewandter Umgang schafft Vertrauen und eröffnet Lernräume.
Ressourcenorientiertes Feedback: Der Fokus liegt auf dem, was gut gelingt und was weiter gestärkt werden kann.
Reflexionsräume schaffen: Kurze tägliche Reflexionen („Was hat mir heute gutgetan?“) fördern Bewusstsein und Selbststeuerung.
Achtsamkeitstechniken etablieren: z. B. Atemübungen zu Schichtbeginn oder bewusste Pausen, um Stress zu regulieren.
Eigene Haltung reflektieren: Praxisanleiter*innen sind Modell – sie zeigen, wie man mit Belastung, Grenzen und Mitgefühl umgehen kann.
Resilienz wird nicht in einer einzigen Förderstunde vermittelt, sondern ist ein permanenter Prozess im Alltag. Jeder Kontakt, jedes Wort, jede Geste zählt.
Und was kannst du heute tun?
Ob du mit Kindern arbeitest, in einem sozialen Team bist oder dich selbst stärken möchtest: Resilienz beginnt bei dir.
Du musst nicht alles auf einmal ändern. Starte mit kleinen Schritten:
Atme bewusst durch.
Frag dich: Was tut mir gerade gut?
Sag dir: Ich darf Pausen machen.
Teile deine Gedanken mit Kolleg*innen.
Ermutige dich selbst so, wie du andere ermutigst.
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Johanna Heep hat ebenfalls einen spannenden Blogbeitrag zum Thema "Resilienz" verfasst. Diesen findest du hier.
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Resilienz ist kein Ziel. Sie ist ein Weg. Bleib dran!




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